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In der Vorstellung ist die Stadt eine sehr gelungene menschliche Lebensform. Geprägt durch Gemeinschaft und anregende Kommunikation, durch Arbeitsteilung und kurze Wege, durch die Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen.
In der Wirklichkeit erstickt Starnberg im Autoverkehr, profitiert und leidet gleichzeitig unter zunehmendem Zuzug und betoniert und asphaltiert sich deswegen dauerhaft zerstörend in seine einzigartige Umgebung. Starnberg ist eben hin- und hergerissen zwischen seinen vielen oft kaum vereinbaren Funktionen und Facetten: mondäne Schlafstadt der nahen Metropole München, begehrter Altersruhesitz, mehr überfahrenes als überlaufenes tagestouristisches Ausflugsziel am See und ganz normale, verschuldete Kleinstadt, die von ihrer Millionärsdichte nicht profitiert, sondern mit und gegen Nachbarkommunen um Gewerbesteuern kämpft.
Die Bürgerschaft ist zerstritten, denn sie ist mindestens ebenso glücklich über die einmalige Schönheit der Umgebung, die es natürlich unbedingt zu erhalten gilt, wie ungehalten über die durch eben diese einmalige Umgebung eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeit für Gewerbe und Verkehrsinfrastruktur.
Wie wollen wir leben?
Wie die Vor- und Nachteile unserer geografischen Lage, unserer Bevölkerungsstruktur, des ständigen Zuzugs bewerten und steuern?
Ist uns Wachstum wichtiger als Lebensqualität und was genau ist Lebensqualität überhaupt?
Oder gibt es als Alternative zum Wachstum, das Lebensqualität zerstört, auch qualitatives Wachstum, das die Lebensqualität nachhaltig verbessert?
Den seit langem anhaltenden und immer noch steigenden Zuzugsdruck hat Starnberg nicht seiner städtebaulichen Schönheit zu verdanken, sondern seiner Lage in der Boom-Region München, seinem Ruf als Stadt der vermeintlich „Reichen und Schönen“ und seiner, trotz zunehmender Zersiedelung, immer noch atemberaubend schönen Landschaft.
Starnberg kann aber eben wegen dieser einzigartigen Lage zwischen See, Höhenrücken, Wald- und Naturschutzgebieten ohne Verlust seiner Identität nur noch ein sehr begrenztes Wachstum und eine eng begrenzte Ausweitung der Bebauung verkraften.
Unsere Forderungen:
Weil wir keine neuen Baugebiete ausweisen und den Zuzug nicht beschränken wollen, brauchen wir eine kreative Vision von neuen Lebens- und Wohnformen.
Die gegenwärtige Entwicklung stellt sich wie folgt dar:
Wie aber definiert sich Lebensqualität
Auf jeden Fall bedeutet ein noch größeres Wohnzimmer nicht automatisch eine Zunahme von Lebensqualität.
Damit auch in Starnberg diese Fragen gestellt, diskutiert und im Sinne des Positionspapiers weiterentwickelt werden können, schlagen wir folgende Maßnahmen vor, die die Stadt Starnberg aktiv fördern sollte:
Starnberg ist bei weitem nicht so schön wie sein Ruf.
Viele Besucher zeigen sich gleichermaßen begeistert vom See und der Landschaft wie enttäuscht von der Stadt.
Und selbst wenn manch Einheimischer durch lange Gewöhnung abgestumpft ist, man kann die Enttäuschung nachvollziehen.
Hier zeigen sich besonders viele, spezifisch Starnberger, Probleme.
Starnberg, abgesehen von einigen Bauernhöfen und Fischerhäusern nebst einem etwas überdimensionierten Lustschloß, eine lose Ansammlung von Sommerhäusern des Münchner Großbürgertums hat keinen eigentlichen Stadtkern, keine wirkliche Innenstadt entwickelt und das, was ein Stadtkern hätte werden können (Tutzinger Hof Platz) erstickt im Verkehr.
Für diesen Zustand der Stadt gibt es viele Gründe und es hat nicht an Versuchen gefehlt, dieser Stadt ein Gesicht, ein Flair zu geben (Eberl-Plan, Rahmenplan). Den jüngsten dieser Versuche, den Stadtentwicklungsplan begrüßen wir Grünen in (fast) allen Punkten.
Dies betrifft insbesondere:
Zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen wird man in Starnberg nur, wenn dies in der näheren Umgebung auch möglich ist. Deshalb unterstützen wir die Einrichtung und Förderung von Nahversorgungs-Möglichkeiten wie z.B. den geplanten Lebensmittelmarkt Hanfelder-/ Waldschmidt-Straße
Das Konzept der Trennung von reinen Wohngebieten (Schlafstädte) und Gewerbegebieten möglichst auf der grünen Wiese stammt aus den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts und hat sich nicht bewährt. Neben der Verödung der Schlafstädte erzwingt diese Trennung den täglichen Berufsverkehr. Um eine Stadt der kurzen Wege zu erhalten oder wieder zu gestalten, muss diese Trennung soweit als möglich aufgegeben werden. Während in Gebieten mit Schwerindustrie diese Forderung nur schwer umsetzbar ist, eignet sich gerade eine Kommune wie Starnberg mit seinem überwiegend hochqualifizierten Dienstleistungsgewerbe ganz besonders dafür. Dies bedeutet für die Bauleitplanung die weitgehende Abschaffung der reinen Wohngebiete zugunsten von allgemeinen Wohngebieten, in denen Gewerbeausübung möglich ist.
Die Ausweisung des Gewerbegebietes Schorn ist auch in dieser Hinsicht ein Schritt in die völlig falsche Richtung.
Darüber hinaus kann durch eine grundlegende Veränderung der Stellplatzverordnung, die derzeit schon bauleitplanerisch erzwungene Präferenz für das Auto als wichtigstem Verkehrsmittel, verändert werden.
Starnberg ist eine Stadt der Autofahrer, für Fußgänger und Radfahrer gibt es kaum Luft zum Atmen. Zur Verkehrsproblematik gibt es viel mehr zu sagen und zu tun, als die unsinnige und polarisierende Geisterdebatte „Tunnel oder Umfahrung“ dies den Bürgerinnen und Bürgern suggeriert. Die Grünen haben hierzu ein eigenes Positionspapier verfasst.
Und zum Schluss noch ein Wort zum größten und heiß umstrittenen Stadtentwicklungsprojekt der Seeanbindung
Wie in unserem Wahlprogramm 2008 nachzulesen, war unsere Position damals gegen die Seeanbindung. Für uns war das Hauptargument die enorme finanzielle Belastung für die Stadt.
Dieses Argument gewinnt an Schärfe, wenn man die nur schwer kalkulierbaren Risiken einbezieht, die in möglichen Baukostensteigerungen liegen. Der Bahnhof Nord hat am Ende ja auch fast doppelt so viel gekostet wie geplant.
Heute stimmen wir für die Seeanbindung.
Und das, obwohl sich an den finanziellen Risiken nicht geändert hat und die Stadt heute finanziell schlechter dasteht als 2008.
Der Grund für diesen Positionswechsel ist die Einsicht in die folgenden Umstände:
Der Vertrag aus dem Jahr 1987 verpflichtet die Stadt zur Seeanbindung. Man kann über den Vertrag denken was man will, er ist rechtsgültig. Ein Ausstieg aus dem Vertrag ist natürlich möglich, abzuwägen sind die Folgen. Dabei ist eine mögliche Schadensersatzklage die weniger bedrohliche.
Viel bedrohlicher ist, dass mit dem Ausstieg aus dem Bahnvertrag die Bahn ihre Grundstücke frei veräußern darf. Sie kann sie meistbietend verkaufen.
Jetzt könnte man sich ausrechnen, dass die Stadt immer noch billiger wegkommt, wenn sie die frei werdenden Grundstücke zu Marktpreisen kauft, aber den Gleisumbau nicht finanzieren muss.
Wir hätten dann aber nur die Baugrundstücke, keine Flächen am See und keinen neuen Bahnhof.
Und auch die Stadt müsste diese Grundstücke verwerten, soweit sie überhaupt das Geld für den Kauf aufbringen kann.
Im schlimmsten Fall passiert in Starnberg aber folgendes:
Wir steigen aus dem Vertrag aus und zahlen eine hohe Strafe, die Bahn bebaut ihre Grundstücke selber unter maximaler Ausnutzung ihrer rechtlichen Möglichkeiten und veräußert die Gebäude dann kurze Zeit später meistbietend.
Die Stadt hat dann keine Seeanbindung, sondern eine Seeabschnürung, keinen neuen Bahnhof, keine Gestaltungsmöglichkeit und das für die nächsten 100 Jahre.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir für dieses Projekt Opfer bringen müssen.
Die Stadt wird das Areal um den Bayerischen Hof samt alter Oberschule verkaufen müssen. Diese bittere Pille lässt sich leichter schlucken, wenn man weiß, dass die Kosten selbst für die dringendsten Sanierungen am Bayerischen Hof (Brandschutz, Dach, Statik) auf weit über 1 Million geschätzt werden. Wir werden uns noch mehr verschulden und andere Projekte zurückstellen müssen, aber wir bekommen auch Platz am See und einen neuen Bahnhof.
Unsere Position:
Beschlossen am 05. Juni 2013