Verkehrskollaps in Starnberg - was hilft dagegen?

Für eine neue Mobilitätskultur

Eigentlich müsste die wichtigste Verkehrsform, zumal in einer Kleinstadt oder in einem Mittelzentrum, der Fußgängerverkehr sein. Die Besiedlungsform „Stadt" verträgt sich prinzipiell nicht mit der Verkehrsform „Auto".

Die Stadt ist Bebauung auf engem Raum mit entsprechend kurzen Wegen, das Auto aber braucht Platz und zwar fahrend und parkend und produziert dazu noch gesundheitsschädlichen Lärm und Abgase.

Die Bevorzugung des Autoverkehrs in der Stadt führt daher in der Konsequenz zu einer Zerstörung dieses Lebensraumes

  • Verödung und Lebensfeindlichkeit der Innenstädte
  • Einkaufscenter und Gewerbegebiete an der Peripherie auf der grünen Wiese
  • die Zersiedlung der Fläche (wer will schon an der Hauptstraße wohnen?)

Und von den Durchfahrenden wird die Stadt nicht mehr als Lebensraum, sondern nur noch als Verkehrshindernis wahrgenommen.

Ein schönes Beispiel für die Unvereinbarkeit von Auto und lebenswerter Stadt ist das Mantra-Argument der Starnberger Umfahrungsbefürworter „der Verkehr muss raus aus Starnberg". Dabei den­ken diese eingefleischten Autofahrer natürlich nur ans Auto und nur daran, dass nicht sie, sondern immer die anderen den Verkehr erzeugen.

Da führt dann nicht zu Forderungen nach Reduzierung des Autoverkehrs oder zumindest Begünstigung von Radfahrern und Fußgängern, sondern zur Forderung nach leistungsfähigen Umgehungsstraßen, also nach noch mehr Autoverkehr.

Autofahrer immer Täter und Opfer zugleich sind: Täter wenn sie fahren und Opfer wenn sie aussteigen oder im Stau stehen. Reflexhaft verdrängen sie ihre Täterschaft und fühlen sich als Opfer von durchfahrenden Fremden. So gesehen ist die Forderung „Umfahrungsstraße" das Kompromisssymptom eines Ambivalenzkonfliktes.

Da helfen keine Argumente, keine Fakten keine Zahlen. Da spielt es keine Rolle, dass 75 bis 80 % des Autoverkehrs in Starnberg hausgemacht sind, dass eine Umfahrung rechtlich nicht durchsetzbar und vom Bauherrn nicht gewollt ist. Der Slogan „der Verkehr muss raus aus Starnberg" ist so attraktiv weil er, wenigstens in der eigenen Vorstellung, die Täterschaft der durchfahrenden Fremden beweist und von der eigenen Opferrolle erlöst.

Neue und breitere Straßen können den eigentlichen Konflikt zwischen Platzbedarf (Lärm, Abgas und Gefährdung) der Autos und der Besiedlungsform „Stadt" niemals lösen. Entweder erstickt die Stadt am Verkehr oder sie zerfällt, ganz nach amerikanischem Vorbild, in unbewohnbare Innenstädte und „lebenswerte" Vororte in der zersiedelten Fläche. Die zersiedelte Fläche aber kann von einem noch so aufgerüsteten öffentlichen Nahverkehr nicht mehr bedient werden und zementiert da­her den motorisierten Individualverkehr (Maximal-Beispiel Mexico-Stadt).

Ein Teufelskreis in dem wir uns alle schon befinden.

Wenn also nichts den Verkehr raus aus Starnberg bringt, was kann, was muss eine grüne Mobilitätspolitik anstreben um den Lebensraum Stadt zu erhalten oder zurück zu erobern?

Unser Ziel ist die Vermeidung, die Verringerung und die Verlagerung des motorisieren Individualverkehrs (MIV).

Denn Lärm, Abgase und Flächenverbrauch verschlechtern die Lebensbedingungen.

1. Vermeidung

ÖPNV

Wir fordern eine weitere Verbesserung der Linienführung und Ausweitung der Taktzeiten insbesondere in den Abendstunden. Mit der Einführung von Bedarfshaltestellten können längere Wegstrecken bei Bedarf sinnvoll unterbrochen werden.

Um den ÖPNV für mehr Menschen attraktiv zu machen, bedarf es eines hohen Warte- und Fahrkomforts, sowie übersichtlicher Fahrplaninformationen, die auch immer aktuell mobil nutzbar sein müssen.

Neubürger/innen sollen als Begrüßungsgeschenk der Stadt für den ersten Monat eine kostenfreie Monatskarte für den Stadtverkehr erhalten.

Kinder und Jugendliche sollen die Stadtbusse unentgeltlich benutzen können.

In den Sommermonaten soll künftig ein sog. „Badebus" die Gäste von der S-Bahn zu den beiden Badegebieten am Starnberger See bringen.

Radfahren in Starnberg

Starnberg benötigt nur an entlang weniger Straßen eigene Radwege. Besser geeignet sind häufig Radstreifen oder die gemeinsame Nutzung des Straßenraums für alle VerkehrsteilnehmerINNEN (s. Shared-Space).

Wir fordern die Entwicklung eines Parkkonzepts analog dem Modell in Kopenhagen. Damit können Räder platzsparend und sicher an zentralen Orten (Bahnhöfen) aufbewahrt werden.

Mit der Einführung einer Stellplatzverordnung (möglichst inkl. einer Aufladestation für E-bikes) ür Radl wird bei Neubauvorhaben dem Radfahren ein neues Gewicht gegeben.

E-Bikes: Wir halten Pedelecs für eine gute Alternative zum MIV und fordern daher ein durchdachtes Verleihsystem für Radl und Pedelecs, sowie die Einführung von Aufladestationen (mit Ökostrom) für E-Bikes für ausgesprochen sinnvoll.

Zu Fuß in Starnberg

Durch eine Verbesserung der Wegebeziehung und gute Gestaltung der Fußwege sollen die Bürgerinnen und Bürger motiviert werden, kürzere Strecken zu Fuß zurück zu legen.

2. Verringerung

Bauleitplanung ist auch Verkehrspolitik

Das Konzept der Trennung von reinen Wohngebieten (Schlafstädte) und Gewerbegebieten möglichst auf der grünen Wiese stammt aus den 60-Jahren des vorigen Jahrhunderts und hat sich nicht bewährt. Neben der Verödung der Schlafstädte erzwingt diese Trennung den täglichen Berufsverkehr. Um eine Stadt der kurzen Wege zu erhalten oder wieder zu erschaffen muss diese Trennung soweit als möglich aufgegeben werden. Während in Gebieten mit Schwerindustrie diese Forderung nur schwer umsetzbar ist, eignet sich gerade eine Kommune wie Starnberg mit seinem überwiegend hochqualifizierten Dienstleistungsgewerbe ganz besonders dafür.

In der Stadt der kurzen Wege wird das Verkehrsbedürfnis verringert, indem Bedingungen geschaf­fen werden, die räumliche Distanzen zwischen Wohnen, Arbeit, (Nah-) Versorgung, Dienstleistun­gen, Freizeit- und Bildungsorten so klein wie möglich halten.

Dies bedeutet für die Bauleitplanung die weitgehende Abschaffung der reinen Wohngebiete zu­gunsten von allgemeinen Wohngebieten, in denen Gewerbeausübung möglich ist.

Die Ausweisung des Gewerbegebietes Schorn ist auch in dieser Hinsicht ein Schritt in die völlig falsche Richtung.

Darüber hinaus kann durch eine grundlegende Veränderung der Stellplatzverordnung die derzeit schon bauleitplanerisch erzwungene Präferenz für das Auto als wichtigstem Verkehrsmittel verändert werden.

Gleichberechtigung und gleicher Verpflichtung zur Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer bedeutet zunächst Geschwindigkeitsreduzierung des innerörtlichen Autoverkehrs auf max. 30 km/h, und zwar nicht nur in den Wohngebieten sondern auch auf den Staats- und Bundesstraßen.

Damit wird die Unfallhäufigkeit und -schwere gesenkt und ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss gewährleistet. Da die Geschwindigkeitsreduzierung zu deutlich weniger Lärm führt, ist sie als aktive Lärmschutzmaßnahme auch der gesetzlich begünstigte Weg in Lärmsanierungsgebieten.

Die Tatsache, dass wir auf vielen Schulwegen eigene Schülerlotsen einsetzen müssen, ist die Kapitu­lation vor der Rücksichtslosigkeit der Autofahrer und sie ist eine frühe Konditionierung unserer Kinder auf die Hoffnung, eines Tages auf der Seite der Stärkeren sein zu dürfen, vor deren Platz- und Geschwindigkeitsvorstellungen alle anderen zurückstecken müssen.

Shared-Space

Bei Shared-Space wird weitgehend auf Verkehrsschilder, Markierungen und Ampeln verzichtet. Dadurch wird erreicht, dass sich der Autoverkehr rücksichtsvoller ins menschliche Miteinander aus Fußgängern, Radfahrern und spielenden Kindern einfügt. Die Verkehrssicherheit und die Aufenthaltsqualität auf öffentlichen Plätzen erhöhen sich. Die scheinbare Unsicherheit führt zur Entschleunigung des Verkehrs

Stadt der kurzen Wege

In der Stadt der kurzen Wege wird das Verkehrsbedürfnis verringert und somit Verkehr vermieden, indem Bedingungen geschaffen werden, die räumliche Distanzen zwischen Wohnen, Arbeit, (Nah-) Versorgung, Dienstleistungen, Freizeit- und Bildungs- orten vermieden werden.

Carsharing

Durchschnittlich teilen sich laut UBA (Umweltbundesamt) derzeit 35 NutzerINNEN ein Carsharing-Auto. Jedes Carsharing Auto ersetzt vier bis acht private Pkws – außerdem sind diese Autos im Durchschnitt kleiner, neuer und folglich sparsamer im Verbrauch.

Wir fordern für das Stadtgebiet kostenlose Parkmöglichkeiten für Carsharing Fahrzeuge an bevorzugten Plätzen.

Tempo 30 und weniger

Wir fordern Tempo 30 nicht nur in den Wohngebieten sondern innerörtlich auch auf den Staats- und Bundesstraßen.

Damit wird die Unfallhäufigkeit und –schwere gesenkt und ein gleichmäßigerer Verkehrsfluss gewährleistet. Weniger Abgase und Lärm verbessern die Lebensqualität!

Parkraumreduzierung, Parkraumbewirtschaftung und Gebührenerhebung

Durch die gezielte Reduzierung des oberirdischen Parkraums in der Innenstadt, eine verbesserte Parkraumbewirtschaftung und eine sinnvolle Gebührenerhebung soll die Nutzung der Innenstadt für Autos weniger attraktiv werden. Dazu gehört auch ein gutes Park-and-Ride-Angebot, das an den ÖPNV angeschlossen ist.

3. Verlagerung

Die Verlagerung von Autoverkehr ist das am lautstärksten geforderte Mittel aus Starnberg wieder eine lebenswerte Stadt zu machen. Wirksam wird es aber nur werden, wenn alle beschriebenen Maßnahmen umgesetzt werden.

Der planfestgestellte B 2 Tunnel wird die Stadt von den ca. 20 % Durchgangsverkehr entlasten, dennoch ist er nicht die Lösung aller Starnberger Verkehrsprobleme . Die sich durch den Bau des Tunnels ergebenden neue Entwicklungschancen für die Innenstadt: die Hauptstraße wird zur Ortsstraße herabgestuft und kann für Fußgänger und Radfahrer attraktiv gestaltet werden. Ab diesem Zeitpunkt kann die Stadt auch Maßnahmen zur Entschleunigung durchführen.

Die Abstufung der Söckinger Straße und der Hanfelder Straße bieten ebenfalls die Möglichkeit, als Kommune planerisch tätig zu werden. Für die Hanfelder Straße fordern wir sofort eine Beschränkung für LKW über 12 t, die bereits im Stadtrat bewilligte Fußgängerampelanlage auf Höhe der Oßwaldstraße und die Einführung eines Fahrradstreifens.

Dies kann nur dann Wirklichkeit werden, wenn wir alle mit einer klaren Positionierung zu einer neuen Mobilitätskultur finden.

Arbeitsgruppe: Claudia, Kerstin, Franz, Angie, Martina

Ausarbeitung: Martina und Franz